Tageslicht 12

Ins Neue

Nicht wir sind die Natur

Die Natur beherrscht

Nicht wir sind Richter

Selber nur Indiz

 

Nie im Griff gehabt

Was wir in Händen

Sind besetzt

Von der Natur unserer Art

 

Die Meistbesungene geht dahin

Pech gehabt jetzt kommen die Kinder

Gib mir Tronics!

 

 

Mother don't go, Daddy come home

Er sah, wie das vertraute Bild entstand, Pixel fügten sich zusammen, allerdings nicht bis zur letzten Schärfe. Er sah eine Bewegung, Umriss oder Schatten, etwas Vorüberhuschendes, das zu ihm gehörte, es gab keinen Zweifel. Wie er auch innehielt, die Augen öffnete, sie schloss und wieder öffnete: das Beinahebild ließ sich nicht mehr so vor Augen bringen wie beim ersten Mal; diese Bewegung, das Bild oder diese Erinnerung, sie wurden bei jedem weiteren Versuch nur blasser. Je entschiedener er sich ins Zeug legte, das beinahe klar Gesehene sichtbar zu machen, desto kläglicher fiel das Ergebnis aus. War das so, weil er nicht nachließ, danach zu greifen? Als er müde war vom Erhaschen der kurzen Erscheinung, überlegte er sogar, ob er vielleicht so entschieden danach langte, damit es sich wieder fortmachte und sich ihm nicht darbot. Was blieb, war diese Andeutung, und kein Bild.

25. Dezember 2017

 

 

Monotasking

Knapp bekleidet öffnete sie ihm. Sie schmierte Brote. Er stellte sich hinter sie und presste sich an sie. Aber sie ließ das Messer fallen und öffnete seine Arme. Einen Teller in der einen Hand, Salz und Pfeffer in der anderen, ging sie ins Wohnzimmer und setzte sich aufrecht an den Esstisch. Sie drapierte mundgroße Brotschnitten mit einer Tomatenscheibe und einer Gurkenscheibe, salzte und pfefferte sie und betrachtete ihre Bauwerke, bis sie in ihr verschwanden. Sie kaute herzhaft. Wie oft er kauend durch die Wohnung lief. Gerne oder wie von ferne gezogen tat er oft zwei Sachen gleichzeitig. Er streichelte die Innenseite ihres linken Oberarms, doch sie schob seine Hand beiseite. War sie nicht sexy? Nach dem Essen lehnte sie sich zurück, öffnete zwei Jeansknöpfe und legte ihre Füße auf seine Oberschenkel. Er strich von den Zehen bis zum Knie, zurück zu den Zehen und steckte zwei Zigaretten an. Als sie aufgeraucht hatten, sagte sie, sexy sei, wenn er jetzt ginge und dann noch einmal klingle.

2. Dezember 2017

 

 

Schritt und Auftritt

Aufgewacht mit dem Satz "Heut wird dir ein Gesicht begegnen!" Seltenkalt der Sonnenschein. Ein Tag zum Schauen und Gesehenwerden. Und wer schaut nicht? Die junge Frau im kurzen kamelhaarfarbenen Mantel mit einem Blick vollendeter Sachlichkeit und klein lodernder Wut. Kurze feste Schritte, die kein Halten kennen. An ihrem Ziel kann man sich auf etwas gefasst machen.

30. November 2017

 

 

Über eine finanziell verfolgte Minderheit und ihre Gönner

Jedes Jahr im Sommer wird gemeldet, dass deutsche Arbeitnehmer im ersten Halbjahr lediglich dafür gearbeitet haben, dass sie ihre Steuern und Abgaben bezahlen können. Erst ab Anfang Juli würden sie damit beginnen, in die eigene Tasche zu wirtschaften. Die reale Steuerrate, die Summe aus Steuern und Sozialversicherungsabgaben, beträgt in Deutschland etwas mehr als 50 Prozent. In Malta oder Irland ist sie nur halb so hoch.

weiterlesen

13. November 2017

 

Kamasi Washington, Truth

Wer Politik und Gefühle trennt, verliert

Was verbindet Judenhasser des 19. Jahrhunderts mit Islamfeinden von heute? Was verbindet Leute wie Achim von Arnim und Richard Wagner mit Thilo Sarrazin und Alexander Gauland? Neben ihrer Befürchtung, es werde das aufgeweicht, was sie für "deutsch" hielten und halten. Es eint sie die Erkenntnis, wie sehr Gefühle und Politik sich gegenseitig beeinflussen.

weiterlesen

 

 

Holger Czukay (1938-2017), Persian Love

Holger Czukay (1938-2017), Cool In The Pool

Frank Kunert: Mit Balkon

Kampfbegriffe des Mainstream

Nach dem Ende des kalten Krieges wurde der Traum geträumt, das Zeitalter von Ideologien, Demagogie und Propaganda sei vorüber. Heute gehört diese Hoffnung der Vergangenheit an. Wir leben im nächsten ideologischen Zeitalter. Ohne Schwarzweiß-Malerei geht gar nichts mehr. Wenn gegen globale Missstände demonstriert wird, für die die neoliberale Auslegung der Globalisierung verantwortlich gemacht wird, hören solche Demonstranten oft, sie seien "Globalisierungsgegner". Obwohl die Mehrheit nur eine andere Art von Globalisierung will, und nicht vorhat, ihre in China gefertigten i-Phones wegzuwerfen.

weiterlesen

11. Mai 2017

 

 

Heute der Rabe und morgen

Wer niemals sein Gedächtnis verlor - besitzt der überhaupt eines?

Heute morgen hockte auf dem Fenstersims ein Rabe. Im nächsten Moment hob er zum Flug ab. Sein Gefieder verwandelte sich zu glatter Haut eines Menschenkörpers. Dieser Körper bewegte seine Arme und Beine mit der Kraft eines Mannes und der Anmut einer Frau, er strampelte in der Luft wie ein Schwimmer im Wasser, er gewann an Höhe und flog davon. Der Kopf des Raben hatte sich in das stumme Gesicht einer jungen Frau verwandelt. Ich sah sie im Profil. Sie war mir unbekannt und sehr nah. Beim nächsten Lidschlag hob der Rabe noch einmal auf die schon bekannte Weise ab und verwandelte sich wieder in dieselbe Frau. Möglich, es war die Kopie. Beim wiederum nächsten Lidschlag flogen zwei identische Rabenmenschen oder Menschenraben in Gestalt dieser Frau an mir vorüber. - Wie dieses Bild aufbewahren? Wie lange würde es in meiner inneren Mediathek bleiben? Den gut gebauten Menschenkörper. Das gezeichnete Gesicht. Ich besaß keine Kopie. Das Bild würde sich auflösen wie alte Filme aus Zelluloid, nur schneller, und mit Worten wäre das nicht zu fassen.

22. April 2017

 

 

Jean-Luc Godard, Une Femme Coquette (1955)

Der erste Kurzfilm von Jean-Luc Godard, der bisher als verschollen galt - (nach einer Erzählung von Guy de Maupassant; gedreht in Genf)

Müde Liberale, wache Nationalisten

Das rechtsradikale, nationalistische Problem wird in großen Teilen des vorgeblich aufgeklärten, gern global denkenden und regional speisenden linksliberalen Bürgertums nicht ernst genommen. Oft entdeckt man Dummheit ja dort, wo die Dummheit anderer artikuliert wird. Sich über die AfD und ihre Wähler selbstgefällig zu erheben, ist unpolitisch. Es genügt nicht, pausenlos Bestätigungen dafür zu suchen, dass man zu den Guten zählt. Es genügt nicht nur nicht: Es ist eine Form von Meinungsdekadenz, die bekämpft gehört, egal, bei wem sie sich äußert. Leider sind viele selbstgefühlt Fortschrittliche müde. Und leider sind die Nationalisten hellwach.

 zum Text

9. Februar 2017

 

 

Ältere

Neuere